Rezensionsfragment: José Luís Peixoto - Das Haus im Dunkel

Was in mir ist gehört mir nicht - und ich bin auch nicht mein Körper.

Im Schatten stehen, sitzen, liegen wir bewegungslos. Im Schatten ist die Welt unförmig, ungenau, verschoben und verzerrt – voller Ideen und nicht gewordenem, voll von unmöglichem Potential. Der Schatten ist verführerische Ruhe. Der Schatten ist ein warmes Bett, das dich verschlingt. Der Schatten herrscht in Heimlichkeit, windet sich mit dem Licht und verbirgt seinen Willen. Im Schatten existiert die Vor-Realität und stemmt sich wie ein Damm gegen das Leben, tauscht es aus. Ein Kuckucksei im Nest des Menschen. Der Schatten einer Sonnenuhr – wandert stets im Kreis, behält nur scheinbar stets die gleiche Form – unaufhaltsam.

Alles ist das Größte, das Schönste, das Höchste, das Widerlichste, das Schmerzhafteste – alles ist ALLES. Die Bewohner des Hauses treiben durch die Extreme des Seins und ihre Gefühle bauschen sich gemeinsam mit den scheinbar zufällig kollidierenden Wellen auf. Ihre Körper bloße Erweiterungen des Geistes, die sich blähen, die in sich verschrumpeln, die sich ohne Gegenwehr zerschlagen und verkrüppeln lassen. Ein Körper kann nicht gegen den Schatten stehen und auch der Geist droht zu zerschellen. Nichts als Winzigkeiten, was zu vollbringen ist: Ein Buch, eine Reise um die Welt, ein Lied, ein ausgegrabener Sarg – den Schatten kümmert es nicht in seinem trägen Wälzen. Und doch liegt so viel Freude in der Kraftlosigkeit, mischt sich so viel Liebe in das unendliche Leid, und obwohl niemand dem anderen Retter zu sein vermag, sind es die Augen, die Lippen, die Worte, die im Schatten und seiner Unform greifbar werden, die sich gegen die verlorenen Glieder aufbäumen, die sich gegen Mord und Totschlag stemmen. Vor-Real – Körperlos – Fiktional – und dennoch das Größte, das Schönste, das Höchste, das Widerlichste, das Schmerzhafteste: ALLES.

Peter Huemer